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Coaching für Piloten und Flugbegleiter - wegweisend oder überflüssig?

  • Autorenbild: Janina Selbach
    Janina Selbach
  • 1. Sept. 2024
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 15. Sept. 2024


Ich auf dem Vorfeld in Uniform

Ein Coach für Piloten und Flugbegleiter - braucht die Welt so etwas überhaupt? Ich sage JA. Warum? Weil ich mich im letzten Jahr selber mit privaten wie auch beruflichen Herausforderungen auseinandersetzen musste und gefragt habe, mit wem ich als Pilot vertraulich über meine Probleme reden kann. Ich habe mir dabei eine objektive, vertrauensvolle Person in Form eines Coaches gewünscht. Eine Person, die nicht in dem Unternehmen arbeitet, in dem ich angestellt bin und der ich vertrauen kann. Die sich mit dem Alltag eines Berufspiloten auskennt und mit all den Herausforderungen, die dieser Beruf mit sich bringt. Denn es ist sehr hilfreich, wenn man nicht ständig überlegen muss „Wie erkläre ich das jetzt jemandem, der sich nicht mit der Fliegerei auskennt, was genau ich da tagtäglich erlebe?“, sondern man einfach drauf los reden kann und als Antwort Verständnis und Wertschätzung erhält.


Natürlich gibt es in der Luftfahrt Organisationen, an die man sich wenden kann. Dies habe auch ich gemacht und die Telefonate mit AntiSkid und CISM haben sehr gut getan. Ich fühlte mich verstanden und auch dazu ermutigt, die Schritte zu gehen, vor denen ich Zweifel und Angst hatte.


Danach habe ich mich informiert und Marktanalyse betrieben, ob es nicht doch irgendwo Coaches gibt, deren Angebot sich speziell an Piloten und Flugbegleiter richtet. Denn zu guter Letzt sind es die Piloten und Flugbegleiter, die für die sichere Durchführung eines Fluges zuständig sind und auf die sich konzentriert werden sollte. Ein Beruf, in dem Sicherheit die oberste Priorität hat und in dem der Mensch immer noch das wichtigste Crewmitglied ist. Doch alles, was ich finden konnte, waren Angebote in Bezug auf Flugangst, die gibt es wie Sand am Meer. Flugangst ist nur eine Wolke am Himmel der Herausforderungen, Stressfaktoren und Belastungen, die Crews beschäftigen können. Warum also nicht Coachings anbieten, in denen sich Piloten und Flugbegleiter in einem sicheren, geschützten und vertrauensvollen Rahmen außerhalb ihres Unternehmens mit einem Coach austauschen können, der sich auskennt im Berufsalltag und sie dabei unterstützt, ihre psychische Gesundheit und ihr emotionales Wohlbefinden zu fördern?


Psychische Gesundheit und Herausforderungen in der Luftfahrt


Der Begriff psychische Gesundheit wird häufig mit einem negativen Stigma behaftet. Sobald jemand als nicht psychisch gesund wahrgenommen wird, schießen sofort Gedanken wie „Mit dem stimmt doch was nicht, der tickt nicht richtig“ in den Köpfen der Menschen. Doch was bedeutet psychische Gesundheit eigentlich wirklich? Das Robert-Koch-Institut beschreibt diese wie folgt:


Psychische Gesundheit ist eine wesentliche Voraussetzung für Lebensqualität, Leistungsfähigkeit und sozialer Teilhabe. Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit sind weit verbreitet und reichen von leichten Einschränkungen des seelischen Wohlbefindens bis zu schweren psychischen Störungen. Sie gehen mit erheblichen individuellen und gesellschaftlichen Folgen einher und beeinflussen die körperliche Gesundheit und das Gesundheitsverhalten.


Psychische Gesundheit ist also die Basis für unser ganzes Sein. Fördern wir unsere psychische Gesundheit, befinden wir uns in einem Zustand des Wohlbefindens, was wiederum dazu führt, dass wir unsere Fähigkeiten entfalten, mit Stress umgehen, einer Arbeit nachgehen und zum Gemeinschaftsleben beitragen können.


Piloten und Flugbegleiter stehen in ihrem Berufsalltag vor zahlreichen Herausforderungen und Stressfaktoren, die dazu führen können, dass ihr emotionales Wohlbefinden leidet. Eine der größten Hürden ist der ständige Kampf mit Jetlag und Zeitverschiebungen, der oft zu Schlafmangel und einer Beeinträchtigung des natürlichen Biorhythmus führt. Unregelmäßige Arbeits- und Schlafzeiten resultieren häufig in Schlafstörungen, wobei der Körper Schwierigkeiten hat, sich an den wechselnden Zeitplan anzupassen. Trotz Müdigkeit müssen insbesondere Piloten stets hochkonzentriert und wachsam bleiben, um die Sicherheit und Effizienz im Flugverkehr zu gewährleisten. Der permanente Druck, pünktlich und wirtschaftlich zu arbeiten, ist ebenfalls belastend, da die Crew die reibungslose Durchführung des Fluges sicherstellen muss und gleichzeitig wirtschaftliche Aspekte im Blick behalten soll.


Lange Zeiten fern von Zuhause können zu einem Gefühl der Einsamkeit führen, da das Leben aus dem Koffer und die ständige Abwesenheit von Familie und Freunden ein stabiles soziales Leben erschweren. Zusätzlich können private Probleme und wirtschaftliche Unsicherheiten zusätzlichen Stress verursachen. Die Unsicherheit über die berufliche Zukunft und die Schwierigkeiten bei der beruflichen Neuorientierung können das Selbstbewusstsein beeinträchtigen und Zukunftsängste hervorrufen. Die Bewerbungsphase selbst kann frustrierend sein, da wiederholte Absagen zu Existenzängsten und Zweifeln an der eigenen Person führen können.


Die Unvorhersehbarkeit der Dienstpläne erschwert die Planung von Freizeit und Privatleben, da die Crew oft wenig Kontrolle über ihre Arbeitszeiten hat. Der Einstieg nach der Flugschule gestaltet sich ebenfalls schwierig und geht häufig mit erheblichen finanziellen Risiken einher. Von Piloten und Flugbegleitern wird erwartet, stets rational und professionell zu handeln, was dazu führen kann, dass eigene Gefühle unterdrückt werden und eine emotionale Abstumpfung eintritt. Der psychische Druck, der durch Stress, Zeitdruck und das Gefühl entsteht, allen Erwartungen sowohl privat als auch beruflich gerecht werden zu müssen, ist erheblich und eine zusätzliche Belastung im Berufsalltag.


Flugbegleiter stehen vor besonderen Herausforderungen, da sie sich nicht nur mit unangenehmen Passagieren auseinandersetzen müssen, sondern in Notsituationen die Kontrolle über alle an Bord behalten müssen. Diese Anforderungen sind besonders hoch, da sie in Extremsituationen Ruhe bewahren und professionell handeln müssen.


Bundeswehrpiloten hingegen sind häufig Einsätzen in Krisen- und Kriegsgebieten ausgesetzt, die mit einem hohen Gefahrenpotenzial verbunden sind. Diese Einsätze erfordern nicht nur außergewöhnliche fliegerische Fähigkeiten, sondern auch eine hohe psychische Belastbarkeit, da sie in lebensbedrohlichen Situationen Entscheidungen treffen müssen, die nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch das ihrer Kameraden und Zivilisten betreffen.


Die Idee des Coachings für Piloten und Flugbegleiter war entstanden


Da ich aus eigener Erfahrung weiß, wie wichtig es ist, sich vertrauensvoll mit jemandem unterhalten zu können, ohne Sorge davor, dass der Arbeitgeber etwas davon mitbekommt oder dass die Flugdiensttauglichkeit oder der Job auf dem Spiel steht, habe ich mich dazu entschieden, Coachings für Piloten in der zivilen und militärischen Luftfahrt sowie für Flugbegleiter und Flugschüler anzubieten. Denn oftmals hilft es schon, sich mit jemandem zu unterhalten, der weder aus dem Freundes- oder Familienkreis ist oder im gleichen Unternehmen arbeitet, der objektiv ist, der einen versteht und einem einen anderen Blickwinkel ermöglicht.


Ich sehe es als meine Berufung an, Crews dabei zu unterstützen, ihre psychische Gesundheit und ihr emotionales Wohlbefinden zu fördern. Gerade Piloten werden oftmals als Übermenschen angesehen, die keine Schwäche zeigen, die (unangenehme) Emotionen nicht zulassen und die nichts an sich heranlassen.

Es ist mir ein Herzensanliegen, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es keine Schwäche ist, sich Hilfe und Unterstützung zu holen, sondern eine Stärke, sich mit seinen Emotionen auseinanderzusetzen. In einem Beruf, der sehr technisch und umemotional ist, werden jegliche Emotionen unterdrückt und es herrscht eher eine Kühle. Doch gerade die Emotionen, die unterdrückt und nicht zugelassen werden, wirken sich negativ auf unsere psychische Gesundheit und unser Wohlbefinden aus. Und das führt zu einer Minderung der Leistung, was wiederum mehr Stress verursachen kann.


In meinen Coachings steht für mich die Vertraulichkeit an oberster Stelle. Neben der Beziehung zwischen Coach und Klient – ein entscheidender Faktor für den Erfolg des Coachings – ist Diskretion von größter Bedeutung. Weder Arbeitgeber noch Fliegerarzt werden darüber informiert, dass jemand mein Coaching in Anspruch nimmt. Aus diesem Grund biete ich meine Leistungen ausschließlich privat an. Alles, was im Coaching besprochen wird, bleibt strikt vertraulich und dringt nicht nach Außen. Sollte ich aber während des Prozesses feststellen, dass es doch eher in die therapeutische Richtung geht und meine Klienten psychische Probleme haben, unterstütze ich sie dabei, Kontakt zu AntiSkid oder CISM aufzunehmen, da dies meinen Handlungsbereich überschreitet.


Abschließend lässt sich sagen, dass ein Coaching für Piloten und Flugbegleiter weit mehr ist als ein überflüssiger Luxus. Es fördert nicht nur die persönliche und berufliche Entwicklung, sondern stärkt auch die Fähigkeit, in stressigen und herausfordernden Situationen souverän zu agieren. Indem es Kommunikationsfähigkeiten, Stressmanagement und Resilienz verbessert, trägt Coaching entscheidend dazu bei, die Sicherheit und das Wohlbefinden an Bord und am Boden zu erhöhen. In einer Branche, in der der menschliche Faktor von entscheidender Bedeutung ist, stellt Coaching daher einen unverzichtbaren Beitrag zur Exzellenz im Luftverkehr dar.


Ich freue mich, zukünftig Piloten aus der zivilen Luftfahrt, Piloten der Bundeswehr, Flugbegleiter und Flugschüler in meinen Coachings begrüßen zu dürfen. In einem Rahmen, in dem alles sein darf, der Sicherheit und Vertrauen gibt und in dem sie sich verstanden und wertgeschätzt fühlen.


Erfahre in meinem nächsten Blogbeitrag mehr zum Thema psychische Gesundheit in der Luftfahrt und warum es immer noch ein sensibles Thema ist, über welches ungern geredet wird.

 
 
 

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