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Emotionale Blockaden erkennen und lösen

  • Autorenbild: Janina Selbach
    Janina Selbach
  • 15. Dez. 2024
  • 6 Min. Lesezeit

Im Jahr 1954 sitzt der elfjährige Mattes mit seinem Vater Richard an einem Tisch in einer Kneipe in Essen. Richard raucht eine Zigarette, während im Hintergrund eine Gruppe Männer ein Fußballspiel im Fernsehen anfeuert. Der Vater spricht zu Mattes: „Hör mal, ich hab’ dich da neulich in der Kirche gesehen. Du hast eine Kerze angezündet. Sagst du mir auch für wen?“ Mattes zögert. „Nun komm’, sag schon“, fordert ihn Richard auf. „Für den Helmut Rahn. Herberger stellt ihn meistens nicht auf und da dachte ich, ich muss was tun.“ Richard drückt seine Zigarette aus und sagt ernst zu seinem Sohn: „Komm’ mal mit raus.“ Im Hinterhof der Kneipe stellt er Mattes zur Rede: „Verstehe ich das richtig? Du zündest in der Kirche eine Kerze an, nur damit irgend so ein Balltreter nicht auf der Reservebank sitzen muss.“ „Aber Helmut Rahn ist nicht irgend so ein Balltreter. Er ist der Beste! Und ich …“, antwortet Mattes. Sofort unterbricht ihn sein Vater: „Bist du noch zu retten? Erkläre mir mal, wie du darauf kommst, die Kirche für solche albernen Mätzchen zu missbrauchen! Du gehst jetzt nach Hause und denkst über den Sinn der Kirche nach!“ Mattes möchte protestieren: „Aber jetzt spielt doch …“ Da verpasst ihm sein Vater eine Ohrfeige mit flacher Hand. Mattes schaut seinen Vater entsetzt an, Tränen steigen ihm in die Augen. „Schluss jetzt! Ab nach Hause! Und fang bloß nicht an zu heulen. Ein deutscher Junge weint nicht“, ermahnt ihn Richard, bevor Mattes nach Hause läuft.


Im emotionalen Autopiloten durchs Leben


Wie an diesem Ausschnitt aus dem Film „Das Wunder von Bern“ deutlich wird,

drückt der Satz „Ein […] Junge weint nicht“ eine gesellschaftliche Erwartung oder Norm aus, die besagt, dass Jungen oder Männer ihre Gefühle, insbesondere Traurigkeit oder Schmerz, nicht zeigen sollen. Es impliziert, dass das Weinen als Zeichen von Schwäche betrachtet wird und dass Jungen stark und emotional kontrolliert sein sollten. Diese Erwartung ist Teil traditioneller Geschlechterrollen, die emotionale Ausdrücke unterschiedlich bewerten und Männern weniger emotionale Freiheit zugestehen als Frauen.


Das führt dazu, dass viele Menschen in einer Art emotionalen Autopiloten unterwegs sind. Das bedeutet, dass emotionale Reaktionen und Verhaltensweisen weitesgehend unbewusst und automatisch gesteuert werden, ohne dabei tief über die wahren Gefühle nachzudenken. Dabei zeigt man hauptsächlich jene Emotionen, die gesellschaftlich anerkannt oder erwünscht sind (wie Freude), und unterdrückt andere, möglicherweise weniger akzeptable Emotionen (wie Trauer und Angst).


Gerade in einem Beruf wie dem des Piloten, in dem mehr Männer als Frauen tätig sind, haben Emotionen und deren Ausdruck keinen Platz - insbesondere die Unangenehmen. Als Pilot wird man im Simulator darauf trainiert, zu funktionieren, in Notfallsituationen sein Programm abzuspulen und sich nicht von seinen Emotionen kontrollieren zu lassen. Doch was ist danach, wenn sich alles beruhigt hat? Wohin mit den nicht rausgelassenen Emotionen? Und was genau passiert mit den nicht gefühlten Emotionen in unserem Körper?


Was sind eigentlich Emotionen und was geschieht, wenn wir sie nicht zulassen?


In meinem Beitrag (Das emotionale Spielfeld: Wie die 12 Primäremotionen das Spielfeld unseres Lebens formen) habe ich schon darüber geschrieben, was genau der Unterschied zwischen Gefühlen und Emotionen ist.

Im allgemeinen Sprachgebrauch werden Emotionen und Gefühle oftmals gleichgesetzt, dabei meinen beide aber etwas anderes. Emotionen stellen unbewusste Handlungsprogramm dar, wohingegen Gefühle das bewusste Erleben einer Emotion als Körperempfindung sind. Wir fühlen also die Emotion Angst als das Zittern der Beine, den beschleunigten Herzschlag und die schnellere Atmung.

Emotionen sind außerdem sogenannte Bedürfniserfüllungsgehilfen. Sie haben eine ganz wichtige Funktion: sie zeigen uns, welches Bedürfnis gerade erfüllt oder aber nicht erfüllt ist.


Schenken wir unseren Emotionen keine Beachtung und unterdrücken sie, kann es dazu führen, dass sich die unterdrückten Emotionen im Körper festsetzen und emotionale Blockaden hervorrufen oder aber sich irgendwann selber entladen, in einer Situation oder zu einem Zeitpunkt, der nicht passend ist.


Das Unterdrücken von Emotionen kann vielfältige negative Auswirkungen auf die psychische und physische Gesundheit haben. Forschungsergebnisse zeigen, dass das Unterdrücken von Emotionen zu erhöhtem Stress, Angstzuständen, Depressionen und sogar physischen Krankheiten wie Herzkrankheiten und Diabetes führen kann. Zum Beispiel wird das Unterdrücken von Emotionen mit höherer Aggressivität und Stimmungsschwankungen in Verbindung gebracht, was die Probleme in persönlichen Beziehungen und das allgemeine Wohlbefinden verschärfen kann.


Ebenfalls kann das Unterdrücken von Emotionen auch zu emotionaler Taubheit führen, bei der Personen so daran gewöhnt sind, ihre Gefühle zu unterdrücken, dass sie diese nicht mehr richtig erkennen oder darauf reagieren (Stichwort emotionaler Autopilot). Diese chronische Unterdrückung kann die emotionale Regulierung behindern und das Risiko von Substanzmissbrauch und sogar Selbstmord in stressreichen Berufen erhöhen.


Zusätzlich zeigen Studien, dass das Unterdrücken von Emotionen zu Grübeleien und anhaltenden negativen Gedanken führen kann, was weitere psychische Probleme wie Depressionen und Angstzustände verstärken kann. Die physischen Gesundheitsauswirkungen sind ebenfalls erheblich; chronischer Stress durch unterdrückte Emotionen kann das Immunsystem schwächen und die Anfälligkeit für verschiedene Krankheiten erhöhen.


Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung, Emotionen auf gesunde Weise anzuerkennen und auszudrücken, um sowohl die psychische als auch die physische Gesundheit zu erhalten. Techniken wie Achtsamkeit und Strategien zur emotionalen Regulierung können helfen, mit Emotionen umzugehen, ohne sie zu unterdrücken oder kontrollieren zu wollen.


Was sind eigentlich emotionale Blockaden und woran erkennt man sie?


Eine emotionale Blockade bezieht sich auf ungelöste emotionale Konflikte oder negative Erfahrungen, die den emotionalen Zustand und das Verhalten einer Person beeinflussen können. Diese Blockaden entstehen häufig durch belastende Erlebnisse oder Traumata, die nicht vollständig verarbeitet wurden und somit im Unterbewusstsein weiterwirken. Man erkennt emotionale Blockaden an verschiedenen Anzeichen, wie wiederkehrenden negativen Gefühlen, unverhältnismäßigen Reaktionen auf bestimmte Auslöser, Vermeidungsverhalten, körperlichen Symptomen ohne klare medizinische Ursache und einer allgemein eingeschränkten Lebensqualität.


Funktionale Emotionen sind solche, die eine adaptive Funktion erfüllen und uns helfen, uns an verschiedene Situationen anzupassen. Sie sind in der Regel angemessen und proportional zur Situation, wie zum Beispiel Trauer nach einem Verlust oder Angst in einer gefährlichen Situation. Diese Emotionen unterstützen unser Wohlbefinden und unsere Handlungsfähigkeit. Dysfunktionale Emotionen hingegen sind übertrieben, unangemessen oder chronisch und hindern uns daran, gesund auf unsere Umwelt zu reagieren. Sie können durch emotionale Blockaden verursacht werden und zu ungesunden Verhaltensmustern führen, wie übermäßige Angst, die zu Panikattacken führt, oder chronische Traurigkeit, die zu Depressionen führen kann.


Emotionale Blockaden verhindern, dass die betroffene Person ihre Emotionen auf funktionale Weise erlebt und ausdrückt. Stattdessen treten dysfunktionale Emotionen auf, die oft unverhältnismäßig stark oder langanhaltend sind und die betroffene Person in ihrer Lebensqualität beeinträchtigen. Das Ziel in meinem Coachings ist es, diese Blockaden zu identifizieren und aufzulösen, um den Zugang zu funktionalen Emotionen wiederherzustellen und so die emotionale Gesundheit zu fördern.


Ein wichtiger Aspekt sind dabei die neuronalen Spuren, die vergleichbar mit einer stark befahrenen und ausgebauten Strecke sind. Diese Spuren sind Verbindungen im Gehirn, die durch häufig wiederholte emotionale Reaktionen und Gedankenmuster gestärkt werden. Wenn eine emotionale Blockade vorliegt, sind diese neuronalen Spuren oft besonders stark ausgeprägt, was dazu führt, dass bestimmte unangenehme Emotionen und Verhaltensweisen immer wieder abgerufen werden. Durch gezielte Arbeit können diese alten, dysfunktionalen Spuren geschwächt und neue, funktionale neuronale Verbindungen aufgebaut werden, ähnlich wie das Anlegen neuer, gesunder Wege in einem neuronalen Netzwerk.


Wie können diese emotionalen Blockaden durch ein Emotionscoaching gelöst werden?


In einem Emotionscoaching identifizieren wir also diese Stresspuren, die zu emotionalen Blockaden führen und lösen diese gezielt. Dies führt zu einer verbesserten Selbstwahrnehmung und hilft dir, deine Emotionen besser zu verstehen und sie in positive Bahnen zu lenken sowie dein volles Potenzial zu entfalten, was wiederum zu einem entspannteren und erfüllten Leben führt. Zukünftig wirst du emotional anders reagieren, weil wir mithilfe des Emotionscoachings die stressauslösende Situation von der unangenehmen Emotion gelöst haben.


Es geht also nicht darum, zu sensibel zu werden oder zu verweichlichen, sondern darum, sich mit seinen Emotionen auseinanderzusetzen und sie zu verstehen. Denn das Verstehen unserer Emotionen ist zentral für unser Wohlbefinden. Schon Nobelpreisträgerin Marie Curie sagte einst „Was man zu verstehen gelernt hat, fürchtet man nicht mehr.“ Auch Studien konnten zeigen, dass bereits die Art, wie wir über Emotionen denken, beeinflusst, wie wir uns fühlen.


Wer sich also Unterstützung in Form eines Coaches holt, der dabei hilft, sich mit seinen Emotionen zu beschäftigen, dem sollte dies nicht als Schwäche angesehen werden, sondern als Stärke, um die Blockaden, die man alleine nicht lösen kann, frühzeitig zu lösen, damit sich diese nicht festigen.


 

Quellen:

1. Emotional suppression: Causes and consequences - PsychMechanics (https://www.psychmechanics.com/effects-of-suppressing-your-emotions/)

2. How to Regulate Your Emotions Without Suppressing Them - Greater Good Science Center, Berkeley (https://greatergood.berkeley.edu/article/item/how_to_regulate_your_emotions_without_suppressing_them)

3. Depressive Suppression: Effects of Emotion Suppression on Multiple Emotions for Depressed Versus Nondepressed Individuals - Cognitive Therapy and Research (https://link.springer.com/article/10.1007/s10608-019-10002-5)

4. The Dangers of Bottling Up Our Emotions - Verywell Mind (https://www.verywellmind.com/the-dangers-of-bottling-up-our-emotions-5207825)

 
 
 

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